Onlinemarketing im Mittelstand – quo vadis? Das fragte jetzt Reachlocal kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Ich möchte das Fazit der Untersuchung mal im schönsten PR-Sprech zusammenfassen: Die Onlinemarketing-Aktivitäten von kleinen und mittelständischen Unternehmen haben bezüglich ihrer Professionalität und Effizienz deutlichen Nachholbedarf. Ohne PR-Sprech: Liebe KMU, da geht noch was! Wir stellen die zentralen Ergebnisse der Umfrage im Rahmen dieses Blogbeitrags vor und ordnen sie ein.
Mehr als 400 KMU haben an der Umfrage teilgenommen. Die Ergebnisse sind somit nicht repräsentativ, eignen sich aber trotzdem, um allgemeine Tendenzen abzuleiten. Neben übergeordneten Fragen konzentriert sich die Reachlocal-Analyse insbesondere auf Herausforderungen, die KMU bei der Umwandlung von Leads in zahlende Kunden zu bewältigen haben.
- Knapp 80 Prozent der teilnehmenden Unternehmen haben bis zu 49 Mitarbeiter.
- 13 Prozent der Befragten beschäftigen zwischen 50 und 249 Mitarbeiter.
- Etwa sieben Prozent sind noch größer.
Onlinemarketing: 31 Prozent halten sich für fachlich fit, elf Prozent wollen mit Online-Vermarktung nichts zu tun haben…
Während sechs Prozent der befragten Unternehmen angeben, dass sie es nach Möglichkeit vermeiden, sich mit dem Thema Onlinemarketing auseinanderzusetzen, betreiben weitere fünf Prozent es gar nicht. Die Mehrzahl (58 Prozent) gibt an, zwar gut zurechtzukommen, aber mehr machen zu können. Lediglich 31 Prozent schätzen das eigene Wissen rund um die Online-Vermarktung mit sehr gut ein. Diese Befragten geben an, alle ihnen zur Verfügung stehenden Optionen für erfolgreiches Onlinemarketing zu nutzen.
Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen hat genug Zeit für Onlinemarketing – für sieben Prozent ist das reine Zeitverschwendung
Jeder Dienstleister aus diesem Bereich kennt das: Viele kleine und mittelständische Unternehmen unterschätzen den Zeitaufwand für Onlinemarketing-Maßnahmen. Häufig führt das zu Frustration. Wie aber schätzen die Unternehmen ihren zeitlichen Aufwand selbst ein?
- Die Mehrzahl (48 Prozent) ist der Meinung, genug Zeit zu haben, um sich in einem angemessenen Rahmen dem Onlinemarketing zu widmen.
- 22 Prozent der Befragten würden sich gerne stärker mit diesem Thema beschäftigen.
- 14 Prozent vertreten die Ansicht, dass Onlinemarketing insgesamt zu zeitaufwendig ist.
- Für sieben Prozent ist das Internetmarketing eine reine Zeitverschwendung.
Ein Viertel betreibt Onlinemarketing ausschließlich intuitiv: Diese Unternehmen wissen nicht, ob ihre Marketingkanäle und –maßnahmen tatsächlich erfolgreich sind
Interessant sind die Ergebnisse zur Einschätzung des Onlinemarketing-Erfolgs in Bezug zum eingesetzten Budget. Oder anders ausgedrückt: Für wie effizient halten die kleinen und mittelständischen Unternehmen ihre Onlinemarketing-Aktivitäten?
In den Antworten zu dieser Frage zeigt sich eine große fachliche und thematische Verunsicherung: Die Mehrzahl (37 Prozent) wünscht sich explizit mehr Wissen darüber, wie sie ihre Ausgaben effektiver einsetzen können. Knapp ein Drittel gibt an, genaue Kenntnisse über die Wirkung unterschiedlicher Marketingkanäle zu haben. Ein Viertel hingegen setzt das Budget ausschließlich intuitiv ein – ohne für den Erfolg der einzelnen Marketingkanäle und –maßnahmen tatsächlich Belege zu haben.
In anderen Worten: Rund 25 Prozent der befragten kleinen und mittelständischen Unternehmen haben eigentlich keine Ahnung, was genau ihre umgesetzten Maßnahmen erreichen. Frei nach dem Motto:
- Wir betreiben zwar Suchmaschinenoptimierung, haben aber keine Ahnung, wie unsere Seite zu relevanten Suchbegriffen rankt.
- Wir schalten Adwords-Kampagnen, wissen aber leider nicht, ob diese funktionieren oder ob wir sie optimieren müssen.
- Wir beschäftigen echte Edelfedern, die uns Beiträge für unseren Corporate Blog schreiben. – Bitte? Ob die Beiträge auch gelesen oder geteilt werden? Keine Ahnung, da müsste ich mal jemanden fragen, der sich damit auskennt…
Dienstleister: Die meisten KMU arbeiten mit ein oder zwei Anbietern zusammen
Apropos „jemand, der sich damit auskennt“: Wie viele Marketingdienstleister beschäftigen die KMU im Onlinemarketing?
- Rund ein Drittel übernimmt alle Aufgaben selbst.
- Knapp die Hälfte beauftragt ein oder zwei Dienstleister.
- 28 Prozent haben sogar drei bis fünf externe Dienstleister im Einsatz.
Webseite, Social Media, E-Mail, Telefon: Welcher Marketing-Kanal funktioniert zur Kundenakquise und wie lang sind die Reaktionszeiten?
Onlinemarketing soll dabei unterstützen, neue Kunden zu gewinnen und bestehende Kundenkontakte zu stärken. Aber wissen die befragten Unternehmen eigentlich, wie die Kunden auf sie aufmerksam geworden sind?
- 57 Prozent wissen nur „ungefähr“, welche Anfragen über welche Marketing-Maßnahmen zustande kommen.
- Nur 27 Prozent wissen das exakt. Sie passen ihr Marketing-Budget entsprechend und regelmäßig an.
- 16 Prozent der befragten Unternehmen geben zu, nur wenig darüber zu wissen, woher die jeweilige Anfrage kommt. Aber immerhin: Sie würden gerne mehr darüber wissen.
Und was erwartet die Kunden, wenn sie ein KMU anfragen? Wie schnell bekommen sie über welchen Kanal eine Antwort?
Zwei bis vier Stunden – so lang dauert es durchschnittlich, bis kleine und mittelständische Unternehmen eine Anfrage via Webseite, Social Media, E-Mail oder Telefon beantworten. Die Unterschiede sind groß: 31 Prozent antworten innerhalb einer Stunde, 29 Prozent benötigen dafür einen ganzen Tag. Allgemein lässt sich festhalten, dass telefonische Anfragen am schnellsten beantwortet werden. Kontaktversuche per Social Media bearbeiten 14 Prozent innerhalb einer Stunde – und die Mehrzahl (45 Prozent) innerhalb von zwei bis vier Stunden. Knapp sechs Prozent brauchen dafür zwei Tage oder länger…
Die „Unverbindlichkeit“ (ja, das ist ironisch gemeint!) ihrer Beratung scheint vielen KMU dabei besonders wichtig: 65 Prozent geben an, dass bei bis zu einem Viertel der Anfragen nicht noch einmal aktiv nachgefasst wird. Knapp zwanzig Prozent schätzen, dass bis zu 50 Prozent der Anfragen nicht nachbearbeitet werden.
Kurz: Hier wird ohne Ende Potenzial verschenkt!
Zusammenfassung: Deutschland hat Nachholbedarf im Onlinemarketing
Wie bereits erwähnt, befragte Reachlocal KMU in Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. Zu den wesentlichen Unterschieden zählen die Verteilung der Budgets sowie das Wissen über Onlinemarketing.
- Bei den deutschen Unternehmen entfiel mit 49 Prozent der größte Anteil des Budgets auf Suchmaschinenwerbung (SEA) und Suchmaschinenoptimierung (SEO). Niederländische Unternehmen gewichten ihr Budget anders: Sie investieren rund 70 Prozent ihres Budgets ausschließlich in Suchmaschinenwerbung.
- Lediglich ein Drittel der befragten deutschen KMU bescheinigt sich selbst ausreichende Kenntnisse im Onlinemarketing. In Großbritannien sind das zehn Prozent mehr, in den Niederlanden fühlen sich rund 55 Prozent der KMU vertraut mit Onlinemarketing.
Fazit: Es fehlt den Unternehmen an Know-how!
Die Ergebnisse bestätigen unsere Erfahrungen. Bezüglich den Möglichkeiten der digitalen Kommunikation und des Onlinemarketings herrscht in deutschen Unternehmen (mal abgesehen von den großen und internationalen Playern) noch immer große Unsicherheit und oft auch Unverständnis. In einem Blogbeitrag schrieb ich Anfang des Jahres 2015 deshalb: Unsere Kunden verstehen uns oft nicht.
Während die Experten unserer Branche über die Diversifikation des Contents und der Traffickkanäle, Mikrotargeting, Leadgenerierung, mobile Marketing und plattformüberfreifender Kampagnenplanung zur Etablierung eines markenkonformen Social-Media-Aufritts philosophieren, haben viele KMU keine Ahnung, wie und welche ihrer Ziele (falls diese überhaupt definiert sind) sie online mit welchem Budget erreichen können.
Diese Umfrage beweist mal wieder: Es klafft eine Wissenslücke, die größer als der Google-Suchschlitz ist…
Noch mehr Zahlen, die das belegen? Kein Problem: Vor einigen Monaten veröffentlichten die Kollegen von mindshape eine repräsentative Studie zum Status quo deutscher Unternehmenswebseiten. Ein Teilergebnis daraus lautet, dass die Mehrzahl der Unternehmen es den Suchmaschinen eher erschwert ihre Seite auszulesen und korrekt zu indexieren, als Google & Co. die Arbeit durch einfachste Optimierungen zu vereinfachen. Ergebnis: Webseiten deutscher Unternehmen verschenken enorm viel Potenzial – und das bereits bei simplen Onlinemarketingtechniken.
Einige Vertreter der Onlinemarketing-Branche machen dafür – kurz gesagt – die Unternehmen verantwortlich. Ich sehe auch uns in der Bringschuld immer wieder verständlich (!) zu erklären, was im Internet realistisch möglich ist. Und damit meine ich nicht, jede Woche eine neue technische Spielerei oder ein neues soziales Netzwerk durchs Dorf zu jagen und als Nonplusultra für das Marketing zu verkaufen (Stichwort: Periscope, Stichwort Meerkat, Stichwort Beme, …)
Ich denke, dass diese Diskussionen uns nicht weiter bringen. Wir sollten vielmehr einen Schritt zurück machen.
Wir müssen die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die wir in den vergangenen Jahren thematisch verloren haben, erst einmal wieder „einsammeln“. Wir Onlinemarketer müssen aufzeigen, welche Ziele KMU realistisch und im Rahmen einer durchdachten Strategie online erreichen können. Nur auf dieser Basis kann – an das jeweilige Unternehmen angepasst – authentisch und professionell Onlinemarketing betrieben und kommuniziert werden. Auch wenn das bedeutet, dass ein Mittelständler nicht alles technisch mögliche ausreizt und auf jedem sozialen Netzwerk mit einem Firmenprofil und Werbebudget vertreten sein muss…
Was denkst du?
Wir freuen uns über deine Meinung und deinen Kommentar!
Reachlocal bietet Interessierten ein PDF mit den Umfrageergebnissen. Wir bedanken uns bei den Kollegen recht herzlich, dass wir Material aus dem PDF für unseren Blogbeitrag nutzen durften. Danke schön und beste Grüße nach Berlin!
(Beitragsbildquellen: Login /Shutterstock, Reachlocal)
Hallo Marc,
bin ich auf deinen Beitrag gestoßen, da ich ein paar Fakten für einen Kunden eingesammelt habe. Das ist prima aufbereitet und ich kann vieles bestätigen. KMU unter 50 Mitarbeitern sind nach meiner Erfahrung ein schwieriges Feld im Bereich Marketing und Online-Aktivitäten. Dein Artikel hat mir aber weitergeholfen. Danke!
Herzliche Grüße
Thomas
Hallo Thomas,
freut mich, dass ich dir und deinem Kunden mit diesem Beitrag (den ich persönlich sehr mag) ein wenig weiterhelfen konnte.
Deine Einschätzung teile ich. Wir sitzen regelmäßig bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (ich spreche dabei nicht noch Friseursalon um die Ecke, sondern von innovativen Mittelständlern, die klasse Produkte und Dienstleistungen am Start haben…) und erklären Zusammenhänge, für die ich von Branchenkollegen gesteinigt würde, wenn ich diese Informationen in einen Blogbeitrag packen würde. Es herrscht massive Verunsicherung und (zumeist) noch größere Unkenntnis vor.
Auf der einen Seite erschreckt mich das, weil ich mich frage, wie diese Unternehmen ihr Marketing für die kommenden Jahre auf eine gesunde Basis stellen wollen. Andererseits – da bin ich ganz ehrlich – profitieren wir natürlich davon, denn da kommen wir dann ins Spiel…
Vielen Dank für dein Feedback! 🙂
Beste Grüße und weiterhin viel Erfolg
Marc