• Journalisten suchen immer häufiger in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken nach neuen Themen und relevanten Informationen.
  • Die Bedeutung von Pressemitteilungen nimmt ab.
  • Viele Redakteure haben immer weniger Zeit für die Recherche.
  • Das Verhältnis zu professionellen Kommunikatoren in den Pressestellen ist kollegial und erfolgt auf Augenhöhe.

Das sind die zentralen Ergebnisse der Studie „Recherchieren 2015“* zum Rechercheverhalten deutscher Journalisten. An der zweiten Befragung des Instituts für Organisationskommunikation an der Universität der Bundeswehr München nahmen 857 Journalisten teil. Damit ist die Untersuchung eine der größten Journalistenbefragungen der vergangenen Jahre.

Interessant sind die Ergebnisse insbesondere für die Unternehmenskommunikation. Zeigen sie doch, dass Public Relations, Content Marketing, SEO und Social Media Marketing immer näher zusammenrücken – und aufeinander abgestimmt sein müssen. Hier die wichtigsten Ergebnisse der Studie sowie eine kleine Einordnung, was die Daten für dich und deine Unternehmenskommunikation bedeuten.

Suchmaschinen sind mit großem Abstand das Rechercheinstrument Nr. 1

 

„Gravierend“, so nennen die Studienverantwortlichen die Veränderungen in der Arbeitsweise deutscher Journalisten. Medienwandel, sinkende Auflagen, Entlassungen und völlig neue Rezeptionsgewohnheiten schlagen sich schließlich im Alltag der professionellen Berichterstatter nieder. Eine Konsequenz daraus: enormer Zeitdruck. Knapp die Hälfte der befragten Journalisten gibt an, heute weniger Zeit für die Recherche als noch vor fünf Jahren zu haben. 42 Prozent sagen sogar, dass sie „oft zu wenig Zeit für eine weitgehende Recherche“ haben. „Gravierend“ ist da noch recht freundlich ausgedrückt, denn besser macht dieser Zeitdruck journalistische Produkte mit Sicherheit nicht…

Wie aber gelangen die Berichterstatter nun konkret an ihre Informationen? „Das Internet dient weiterhin als primäre Informationsquelle“, fassen die Münchener Wissenschaftler zusammen. Die Ergebnisse im Einzelnen:

45,2 Prozent nutzen zur Recherche am häufigsten Suchmaschinen. Mit großem Abstand folgen persönliche Kontakte (12,6 Prozent), Telefonrecherche (11,9 Prozent) und das Sammeln von Informationen auf Webseiten (10,5 Prozent).

Welche Instrumente nutzen Journalisten zur Recherche?

Instrumente zur Recherche: Suchmaschinen stehen mit großem Abstand auf dem ersten Platz. (Quelle: Universität der Bundeswehr München, Institut für Organisationskommunikation)

 

Wie bereits erwähnt: „Recherchieren 2015“ ist bereits die zweite Journalistenumfrage des Münchener Instituts für Organisationskommunikation. Somit lassen sich die erhobenen Daten mit denen aus dem Jahr 2013 vergleichen. Die Wichtigkeit der Suchmaschinen als Rechercheinstrument hat im Vergleich zur ersten Befragung noch einmal um 15 Prozentpunkte zugelegt. Die Bedeutung des persönlichen Kontakts hingegen um dieselbe Zahl abgenommen.

Recherche in sozialen Netzwerken: Ein Viertel aller Journalisten nutzt Facebook und Co. mehrfach am Tag

 

Zum journalistischen Alltag gehören mittlerweile auch die sozialen Netzwerke:

  • 24 Prozent der befragten Journalisten nutzen sie mehrmals täglich.
  • 14 Prozent recherchieren mindestens einmal am Tag bei Facebook und Co.
  • 17 Prozent suchen mindestens einmal in der Woche in den sozialen Medien nach Informationen bzw. Themenideen.
  • Die restlichen 45 Prozent nutzen die soziale Netzwerke sehr selten oder nie zur Recherche.

Wenig überraschen dürfte, welche Netzwerke dabei am beliebtesten sind:

Facebook (51 Prozent), YouTube (37 Prozent) und Twitter (36 Prozent) führen die Liste an. Es folgen die Businessnetzwerke Xing (29 Prozent) und LinkedIn (20 Prozent) Google+ (15 Prozent) und Instagram (neun Prozent) liegen auf den hinteren Plätzen.

 

Welche sozialen Netzwerke nutzen Journalisten zur Recherche?

Neben den Businessnetzwerken nutzen Journalisten natürlich die großen Plattformen, um zu recherchieren. (Quelle: Universität der Bundeswehr München, Institut für Organisationskommunikation)

 

Medienvertreter suchen nach Themen, Hintergrundinformationen, Quellen – und sich selbst

 

Äußerst interessant ist aber, wonach die Berichterstatter in den sozialen Netzwerken suchen:

  • 47 Prozent recherchieren Themenideen.
  • 38 Prozent suchen nach sich selbst bzw. nach Reaktionen auf die eigene Berichterstattung. (Das beste Beispiel dafür, dass Medienvertreter auch nur Menschen sind. Wieso sollte sich dieser Berufsstand anders verhalten als die anderen Nutzer?)
  • 35 Prozent suchen nach Quellen im Internet.
  • 28 Prozent recherchieren Hintergrundinformationen.
  • 28 Prozent prüfen Informationen gegen und verifizieren so Fakten.

 

Journalisten suchen nach neuen Themen in den sozialen Medien.

Wonach suchen Journalisten in den sozialen Netzwerken? Nach Themen, Hintergrundinformationen, Hinweise auf Quellen – und nach Reaktionen auf die Berichterstattung. (Quelle: Universität der Bundeswehr München, Institut für Organisationskommunikation)

 

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Journalisten suchen hier nicht nach niedlichen Katzenvideos, sondern nach Inspiration, Experten und verlässlichen Fakten. Denn auch bei der Recherche im Internet bzw. den sozialen Netzwerken, gelten für die Medienvertreter wichtige Berufsstandards.

So geben 66 Prozent an, dass die Recherche in den sozialen Medien grundsätzlich um weitere Recherchewege ergänzt werden sollte. 54 Prozent lassen sich auch von in den Netzwerken vorherrschenden Stimmungsbildern nicht beeinflussen, da klar ist, dass es sich dabei nicht um eine repräsentative Meinungsbildung handelt. Knapp die Hälfte der Befragten gibt an, das Webseiten, die im Rahmen dieser Recherche gefunden werden, nur dann verwendet werden sollen, wenn der Anbieter bekannt ist und als glaubwürdig gilt.

Pressemitteilungen: Knapp die Hälfte werden ungelesen gelöscht!

 

Eine deutliche Diskrepanz gibt es beim Klassiker der PR-Arbeit: der Pressemitteilung. Während die Redaktionen weiter mit Pressemeldungen „geflutet“ werden, verlieren sie gleichzeitig an Bedeutung. Die Hälfte der befragten Journalisten gibt an, dass die Wichtigkeit von Pressemitteilungen abgenommen habe.

Wanderten 2013 rund 40 Prozent ungelesen, weil thematisch für uninteressant befunden, in den Papierkorb, waren es in diesem Jahr schon knapp 50 Prozent. Weitere 41 Prozent der Pressemitteilungen werden überflogen. Lediglich 14 Prozent lösen einen Impuls zur Berichterstattung aus und werden verwendet. Trotzdem sehen die Journalisten PR-Mitarbeiter, Pressestellen und Pressesprecher mehrheitlich (55 Prozent) nicht als Gegenspieler. Das Verhältnis ist eher kollegial, da die Medienvertreter die Öffentlichkeitsarbeiter als „Zuspieler“ verstehen.

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Unternehmenskommunikation?

 

Auch wenn Journalisten zunehmend ihren Status als Gatekeeper des Nachrichtenflusses an andere Multiplikatoren und Influencer verlieren, sind und bleiben sie äußerst relevante Stakeholder.

Medienübergreifend erreichen sie mit ihrer Berichterstattung noch immer wichtige Zielgruppen – insbesondere, wenn sie für Fachmedien tätig sind. Deshalb sollte die Kommunikationsstrategie die veränderten Recherchegewohnheiten berücksichtigen und adaptieren. Public Relations, Content Marketing, SEO und Social Media Marketing rücken damit immer näher zusammen.

Journalisten recherchieren vermehrt in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken? Pressemitteilungen verlieren an Bedeutung? Die Medienarbeit muss sich entsprechend anpassen? Dieses Ergebnis unterstreicht die Relevanz von integrierten Kommunikationskonzepten  – sofern diese professionell und strategisch durchdacht sind. Außerdem sind diese Daten ein gutes Beispiel dafür, dass die Unternehmenskommunikation abseits von Abteilungen und Silos zentral geplant und umgesetzt werden sollte. Denn die einzelnen Disziplinen sind heute gar nicht mehr klar voneinander zu trennen, sondern bedingen einander:

  1. Content Marketing: Qualitativ hochwertige Inhalte, die ein gewisses Maß an Suchmaschinenoptimierung erfahren haben, ranken gut in den Suchmaschinen und werden somit auch von Journalisten bei der Themenrecherche gefunden. Statt über eine Pressemitteilung oder die klassischen Instrumente der Medienarbeit können Unternehmen Journalisten über gute Positionen in den Suchmaschinen erreichen – und Themen setzen (Agenda Setting).
  2. Social Media Marketing: Eine angepasste Strategie berücksichtigt auch (Fach-)Journalisten als Zielgruppe. Extrem wichtig ist bei einer möglichen Ansprache der Medienvertreter, was für Social Media Content längst selbstverständlich sein sollte: Wirb nicht mit dem Holzhammer, sondern liefere informierende, hintergründige und visuell ansprechende Inhalte – und versuche einen ehrlichen Dialog zu etablieren. Dann kann auch das jeweilige Unternehmensprofil bei Facebook und Co. zur erfolgreichen Medienarbeit beitragen.
  3. SEO: Zum Ende noch ein kleiner Motivationsschub für alle Hardcore-SEOs bzw. Profi-Onlinemarketer, die die journalistische Berichterstattung über ihr Unternehmen für „so Neunziger“ halten: Habt ihr jemals von der Webseite eines Mediums einen Backlink (aus der redaktionellen Berichterstattung) bekommen? Die Onlineableger etablierter Medien verfügen nämlich nicht nur über hohe Zugriffszahlen und damit große Verbreitung, sondern auch über SEO-Power. Google liebt die Internetpräsenzen etablierter Medien, schließlich werden die Seiten häufig und regelmäßig mit qualitativ hochwertigem Content aktualisiert. Mit einem Do-Follow-Backlink fließt hier ein Teil des Vertrauens dieser Seite in deinen Onlineauftritt. Das stärkt die Webseite gegenüber den Suchmaschinen – diesen Schub wirst du im Sichtbarkeitsindex deines SEO-Tools sehen!

 

*Zur Studie: Unter der Leitung von Prof. Dr. Carsten Rennhak befragte das Institut für Organisationskommunikation der Universität der Bundeswehr München 857 deutsche Journalisten in Form einer Querschnittsstudie online. Damit „zählt die Studie zu den umfassendsten Befragungen von Journalisten in den vergangenen Jahren“, so die Wissenschaftler. Zum Panel gehören überwiegend Print – bzw. Onlinejournalisten mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung, die für Publikums- und Fachmedien arbeiten (Verhältnis von 55 zu 56 Prozent, Mehrfachnennungen möglich). Die Untersuchung ist die Fortführung der Studie „Das Google-Dilemma“ aus dem Jahr 2013.

 

Ich bedanke mich recht herzlich bei Prof. Dr. Rennhak für die (schnelle) Genehmigung, Daten- und Bildmaterial aus der Studienzusammenfassung für diesen Beitrag nutzen zu dürfen. Das PDF mit den Studienergebnissen steht hier zum Download bereit: Zusammenfassung „Recherchieren 2015“. Beste Grüße nach München gehen selbstverständlich auch an die Studierenden Timo Borkenhagen, Pascual Cravaack und Christine Detzel, die diese Umfrage konzipiert und umgesetzt haben!

 

(Beitragsbildquellen: LiliGraphie / Shutterstock, Universität der Bundeswehr München, Institut für Organisationskommunikation)