Vergangene Woche wäre ich beinahe verdurstet. Ein Kunde hatte Webtexte extern zuliefern lassen. Ich sollte die Texte bearbeiten und in Form bringen. Doch bevor ich nur einen Satz begradigen konnte, bekam ich einen schrecklich trockenen Mund. Nach einem halben Liter Wasser fiel es mir auf: Ich war in der Textwüste gestrandet! Die Dateien auf dem Rechner enthielten Textblöcke, die mich noch heute hektisch zu Flüssigkeit greifen lassen. – Damit es euren Lesern nicht so ergeht, hier sechs Tipps für benutzerfreundliche Webtexte.
Eure Besucher lesen eure Texte nicht, sie scannen – und zwar nur zehn Sekunden
Ein Klick auf eure Webseite beweist nicht nur das Interesse eures Besuchers, sondern liefert gleichzeitig einen Vertrauensvorschuss. Der User hofft nämlich, dass er bei euch Informationen findet, die er sucht. Damit ihr ihn nicht enttäuschen müsst, solltet ihr folgende Usability-Grundregeln unbedingt beachten:
- Eure Webseitenbesucher lesen eure Texte nicht wie ein Buch – also von links nach rechts, Zeile für Zeile. Vielmehr scannen sie eure Seite vertikal. Finden sie dabei interessante Ankerpunkte, bleiben sie hängen.
- Das Lesen im Web, so ergaben verschiedene Eyetracking-Studien, entspricht einem F-förmigen Muster. Die Leser scannen vor allem links, die Blicke wandern dann die Seite hinunter. Bei Interesse lesen sie horizontal weiter. Dabei gilt die 70/30-Regel: Knapp 70 Prozent der Zeit studieren eure Besucher Inhalte auf der linken Seite, nur 30 Prozent investieren sie in die Informationen auf der rechten Seite.
- Und es kommt noch ernüchternder: Dieser Prozess dauert im Schnitt zehn Sekunden (!). Also seid konsequent bei der Umsetzung, ihr habt nicht viel Zeit, eure Leser zu überzeugen.
- Mehr als zwei Drittel aller Besucher scrollen nicht, sondern nehmen nur die Inhalte im ersten sichtbaren Bereich wahr.
- 80 Prozent der User lesen zwar die Überschrift, jedoch nur 20 Prozent von ihnen interessiert sich dann auch für den eigentlichen Text.
Schreiben fürs Web: Textaufbau und grafisches Schreiben
Nanu, werdet ihr denken, war hier nicht von sechs Tipps die Rede? Das waren doch nur fünf. Richtig. Die sechs Tipps folgen jetzt, denn das da oben war nur die Herausforderung. Die Lösung kommt jetzt.
Um eure Leser wirkungsvoll und erfolgreich zu binden, müsst ihr eure Inhalte wie eine Nachrichtenpyramide aufbauen und grafisch schreiben. Klingt kompliziert? Ist es nicht.
So solltet ihr – immer – vorgehen:
Euer Inhalt verfügt über eine gewisse Wertigkeit. Einige Informationen sind wichtiger als andere. Die Nachrichtenpyramide (die ursprünglich aus dem journalistischen Schreiben stammt) hilft euch, eure Inhalte zu strukturieren. Sie steht auf dem Kopf, weil ihre Grundaussage ist: Das Wichtigste kommt an den Anfang. Alle weiteren Inhalte eures Textes folgen in abnehmender Wertigkeit – und somit später.
Ergebnis: Wenn ein User „nur“ den ersten Absatz eures Textes liest, weiß er trotzdem, um was es thematisch geht. Interessiert ihn das Thema – so wie euch ein Text zum Webtexten – liest er weiter.
Grafisches Schreiben: Macht es euren Lesern möglichst leicht
Noch da? Dann kommen jetzt die Tipps zum grafischen Schreiben. Erinnert ihr euch noch an den Anfang dieses Blogposts? Textwüsten (unter uns Journalisten auch Bleiwüsten genannt) lassen eure nach Informationen dürstenden Leser schlicht verdursten. Helft ihnen, eure Informationen bei bester Gesundheit zu rezipieren.
So geht’s:
- Schreibt knackige, aussagekräftige, interessante, emotionalisierende Überschriften! Denn wenn schon eure Headlines nicht überzeugen, habt ihr schon verloren – und zwar potenzielle Leser.
- Eure Einleitung sollte klar erkennbar und darf gerne hervorgehoben sein. Inhaltlich sollte sie die wichtigsten Informationen enthalten und die klassischen W-Fragen beantworten. (Übrigens gibt es immer wieder auch Variationen. Die Einleitung zu diesem Blogpost ist eher szenisch und soll emotional und weniger faktisch anteasern…)
- Gruppiert eure Infos in „Gedanken“-Abschnitte. Absätze erleichtern das Scannen eures Inhalts erheblich.
- Sehr wichtige Ankerpunkte sind Zwischenüberschriften. Mit denen fangt ihr die „Scanner“ unter euren Besuchern wieder ein. Denkt an das F-förmige Muster beim Lesen!
- Um eure Texte noch benutzerfreundlicher zu gestalten, verpackt Informationen, die sich dafür eignen, in Listen: Arbeitet mit Aufzählungszeichen oder numerischen Aufzählungen. Eure Leser werden es euch danken.
- Zusätzliche Aufmerksamkeit generieren auch Texthervorhebungen. Denn sie signalisieren: Achtung, hier folgt eine relevante Information – nicht verpassen. Achtet aber bitte darauf, nicht zu viele Wörter oder Passagen auf diese Art zu markieren. Inflationärer Gebrauch wirkt eher unruhig und vermittelt den Eindruck, dass ihr selbst nicht genau wisst, was thematisch relevant ist…
Niemals vergessen, sonst werdet ihr vergessen: An das Ende gehört ein Call-to-Action
Und zum Schluss noch ein Tipp, der weniger mit grafischem Schreiben zu tun hat, euch aber dabei hilft, dass euer Text sein Ziel erreicht – nämlich eine Conversion auszulösen. Wenn ein Leser euren Text nicht nur gescannt, sondern verinnerlicht hat, weil er relevante Informationen enthielt, müsst ihr jetzt noch definieren, was als nächstes zu tun ist. Schreibt einen Call-to-Action! Der könnte dann so aussehen:
Habt ihr Fragen zum Schreiben fürs Web oder habt ihr noch mehr Tipps, die dabei unterstützen guten Textcontent zu erstellen? Dann nutzt bitte die Kommentarfunktion! Feedback ist immer willkommen.
(Beitragsbildquelle: Peter Bernik / Shutterstock)
Kann ich nur bestätigen! Ansprechendes Bildmaterial in Richtung Infografik ist ebenfalls gut geeignet um Nutzer zu unterhalten.
Vollkommen richtig,
das geht dann noch weiter in den Bereich visuelle Kommunikation. Besten Dank für den Kommentar!
Ein schöner knackiger Artikel. Außerdem wichtig: Kurze Sätze, Vermeidung von Schachtelsätzen, sowie bildhaftes Schreiben reduzieren die Lese-Energie und bindet den Leser besser an den Text 🙂
Hallo Herr Majchrzak,
haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar. Wo kann ich unterschreiben? Alles richtig. 🙂
Allerdings sollte man darauf achten, dass man kurze, verständliche Sätze mit Satzkonstruktionen kombiniert, die auch gerne mal bis zu 20 Wörter lang sein dürfen. Ansonsten verfasst der Autor einen Text, der den Leser ein wenig kurzatmig zurücklässt.
Kurz: Der Rhythmus ist wichtig.
Beste Grüße
M. Ostermann
Danke für den guten Beitrag. Du sprichst mir aus der Seele!! Ein wichtiger Tipp noch:
Das berühmte Kopfkino – Denn läuft erst der spannender Film im Kopf an, gib ihm Futter! Dann wird’s noch saftiger, spannender & lecker – je nachdem! 🙂
Liebe Grüße
Manuela
Hallo Manuela,
vielen Dank für dein Feedback. Du hast natürlich völlig recht: Ein guter Text sollte selbstverständlich nicht nur die formalen Spezifika erfüllen, sondern auch eine gute Geschichte erzählen (womit wir auch schon beim Buzzword „Storytelling“ wären…). Lieblos heruntergetextete Fragmente oder trocken wiedergebene Fakten halten die Rezipienten ganz bestimmt nicht auf der Webseite. Aber dafür gibt es ja uns… 🙂
Lieben Dank für den kollegialen Hinweis und beste Grüße an die Federkunst
Marc
Hallo Marc,
Wirklich toller Beitrag, der die Sache auf den Punkt gebracht hat. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen 🙂
Liebe Grüße,
Jessika
Liebe Jessika,
dann halte auch ich mich ungewohnt kurz: Danke für deinen Kommentar! 😉
Beste Grüße
Marc